In den vergangenen sechs Jahren habe ich mich durch den Aufbau der Think About! Conference und ihrer Community intensiv mit Community Events, insbesondere Meetups, auseinandergesetzt. Dadurch haben sich eine Menge Erfahrungswerte gebildet, da ich viele Veranstaltungen selbst organisiert, als Speaker oder Helfer eingebunden war oder einfach teilgenommen habe. Von denen möchte ich einige gerne teilen.

Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts veröffentlichte der amerikanische Psychologe Abraham Maslow die Maslowsche Bedürfnishierarchie[1], welche auch als die „Bedürfnispyramide“ bekannt ist. Diese zeigt die verschiedenen grundlegenden menschlichen Bedürfnisse in einer hierarchischen Anordnung. Die zugrunde liegende Theorie besagt, dass die Grundbedürfnisse aller Menschen in dieselben fünf Kategorien fallen. Ist eine Kategorie zu einem signifikanten Teil erfüllt, manifestieren sich die Bedürfnisse aus der Kategorie der nächsten Ebene[2]. Die ersten drei Ebenen in der Reihenfolge ihrer Manifestierung lauten: physiologische Bedürfnisse, Sicherheitsbedürfnisse und soziale Bedürfnisse.

Klassischerweise sind Meetups folgendermaßen konzipiert: Menschen treffen sich unter der Woche nach der Arbeit, also gegen 18 oder 19 Uhr, in einer Eventlocation. Dort gibt es etwas zu essen und zu trinken, ein oder mehrere Vorträge oder Workshops und viele Gespräche. Die Anzahl der Teilnehmenden liegt bei erfolgreichen und bekannten Meetups typischerweise bei ungefähr 50. Also an der Oberfläche eine relativ einfache Form der Veranstaltung mit geringem Planungsaufwand. Trotzdem gibt es einige Fallstricke, deren Nichtbeachtung so ein Meetup schnell zu einer frustrierenden Erfahrung für alle Teilnehmenden und die Veranstaltenden macht. Ich habe die aus meiner Sicht sechs wichtigsten ausgearbeitet und den ersten drei Ebenen der Maslowschen Bedürfnishierarchie zugeordnet:

Physiologische Bedürfnisse

Die Erfüllung der physiologischen Grundbedürfnisse ist essenziell, damit sich eine Veranstaltung positiv entwickeln kann. Denn Menschen mit Hunger sind in der Regel alles andere als gut gelaunt.

Das Essen zuerst

Zu den frustrierenden Erfahrungen gehören die Meetups, in denen das Essen nach dem Talk geliefert wird. Die meisten Menschen kommen nach der Arbeit hungrig zu einem Meetup in der Erwartung, dort gemeinsam in spannender Gesellschaft essen zu können.

Und in diesem Kontext stelle man sich nun vor, dass 50 Menschen einem 45-minütigen Talk und anschließender Q&A lauschen müssen, mit knurrenden Mägen. Das verursacht alles andere als gute Stimmung. Gleichzeitig unterbricht die nach dem Talk erfolgende Essenslieferung unter Umständen alle laufenden Diskussionen und Gespräche.

Daher sollte ein Meetup mit dem Socializing beim Essen starten. Das schafft einen entspannten Start in die Veranstaltung und die Menschen kommen direkt beim Essen ins Gespräch. Idealerweise entstehen so schon Grüppchen und Verbindungen, die eine fantastische Grundlage für die restliche Veranstaltung schaffen.

Kommunikation geht durch den Magen

Neben dem eigentlichen Essen spielen aus meiner Erfahrung heraus Snacks durch den Abend hinweg eine wichtige Rolle. Sobald ein paar Schüsseln mit Obst, Süßigkeiten und Nüsschen nach dem Talk im Raum verteilt werden, bilden sich Grüppchen und Freude kommt auf. Wir Menschen sind soziale Wesen und das Sozialisieren beim gemeinsamen Essen ist tief verankert.

Diese kleine Maßnahme hat oft eine große Wirkung, nicht zuletzt auch, weil die Menschen sich einfach willkommen und wertgeschätzt fühlen, wenn man sich um das leibliche Wohl kümmert.

Sicherheitsbedürfnisse

Die Sicherheitsbedürfnisse sind im Alltag unterschiedlich ausgeprägt – die eigenen Alltagserfahrungen mit Themen wie Diskriminierung, Sexismus oder Rassismus prägen das Sicherheitsempfinden maßgeblich. Auf allen Veranstaltungen der Think About! hatten wir zwei Aspekte sehr explizit umgesetzt, um ein klares Signal zur Sicherheit zu senden. Wir haben immer wieder wahnsinnig positives Feedback dazu erhalten und die Menge an unterschiedlichsten Menschen, die zu unseren Meetups kommen, spricht aus meiner Sicht ebenfalls für sich.

Der explizite Code of Conduct

Einen Code of Conduct haben heutzutage viele Unternehmen und Vereinigungen. Oftmals lebt dieser allerdings eine Existenz im Schatten der Veranstaltungen, kaum mehr als eine Verlinkung auf der Website. Ich bin davon überzeugt, dass ein Code of Conduct erst seine Wirkung entfalten kann, wenn er als Vertrag zwischen allen Teilnehmenden verstanden wird.

Angesichts dessen gehen wir auf unseren Veranstaltungen sehr explizit mit diesem um. Beim Registrieren für das Event muss ich einen Haken der Zustimmung setzen, das Dokument hängt ausgedruckt an den Wänden der Veranstaltungsräume und wir weisen am Empfang auf den verbindlichen Code of Conduct hin.

Diese Herangehensweise signalisiert, dass die Veranstaltung ihrer Verantwortung nachgeht, nach bestem Wissen und Gewissen einen diskriminierungsfreien und sicheren Raum zu gestalten. Hier findest Du die aktuelle Version des Think About! Code of Conduct für Meetups: https://think-about.io/meetup.html

Das Awareness Team

Zusätzlich zu einem Code of Conduct setzen wir auf unseren Meetups und Veranstaltungen ein Awareness Team ein. Bei kleineren Events und Meetups übernehmen wir als Veranstalter diese Rolle, bei größeren Events jenseits der fünfzig Teilnehmenden gibt es ein kleines explizites Awareness Team.

Die Aufgabe des Awareness Teams besteht darin, im Falle eines Konfliktes oder eines möglichen Verstoßes gegen den Code of Conduct als Ansprechpartner:innen für die Teilnehmenden zur Verfügung zu stehen.

Seit Beginn der Veranstaltungen im Jahre 2017 hatten wir keinen einzigen Fall, in dem ein Awareness Team eingreifen musste. Gleichzeitig erhalten wir immer wieder wahnsinnig positives Feedback, dass durch das Awareness Team ein Sicherheitsgefühl entsteht, welches auf den vielen anderen Veranstaltungen fehlt.

Angesichts dessen halte ich es nach wie vor für unabdingbar, mit einem Konzept wie Code of Conduct in Kombination mit Awareness Team zu arbeiten, um eine inklusive Veranstaltung zu erschaffen.

Soziale Bedürfnisse

Die dritte Ebene auf der Hierarchie von Maslow sind die sozialen Bedürfnisse. Wir alle wollen in einer Gruppe wahrgenommen werden und Anschluss finden. Gleichzeitig sind Meetups oft ein Ort, an dem es schwierig ist, in die Gruppe einzutauchen. Einige Menschen kommen bereits mit Freund:innen oder Kolleg:innen, anderen fällt es grundsätzlich schwer, mit Fremden in Gespräche zu kommen. Ich selbst kenne das Gefühl nur zu gut, auf ein Meetup zu kommen und bereits diverse Gesprächsgrüppchen vorzufinden. Mich selbst dann in eine solche Gruppe einzubringen, kostet eine Menge Überwindung.

Ein herzlicher Empfang

Deswegen sind wir dazu übergegangen, alle unsere Veranstaltung mit einem Empfang an der Tür zu versehen. Typischerweise würde ich das als Veranstalter selbst machen. Der Ablauf ist dabei immer gleich: Eine Person oder eine Gruppe kommt zum Veranstaltungsort, ich stelle mich vor, erzähle einmal kurz die wichtigsten Fakten (Ort des WCs, Wi-Fi Zugänge, Uhrzeit der Essenslieferung), weise auf die aushängenden „Code of Conducts“ hin und versuche im lockeren persönlichen Gespräch herauszufinden, aus welcher Stadt und von welchem Unternehmen die neuen Gäste kommen.

Bei Veranstaltungen jenseits der 20 Teilnehmenden sind wir in der Organisation vor Ort grundsätzlich zu zweit oder zu dritt, unter anderem, damit wir einen herzlichen Empfang realisieren können.

Ein solcher Empfang hat mehrere Effekte auf die Teilnehmenden. Zum einen fühlen sich die Gäste direkt willkommen und haben das Gefühl, erwünscht zu sein. Das hebt die Energie der Menschen, die das Meetup besuchen, auf ein höheres Level. Gleichzeitig positioniert sich die Person am Empfang direkt als einen Menschen, den die Gäste dann schon kennen, was ein stärkeres Gefühl der Zugehörigkeit verursacht. Und letztlich gibt es mir die Möglichkeit, einzelne Gäste direkt mit anderen Menschen, die schon angekommen sind, in Kontakt zu bringen. Vielleicht ist bereits jemand aus derselben Stadt auf der Veranstaltung oder mir fällt ein anderes Detail auf, das eine Möglichkeit der Anknüpfung bietet.

Mit dieser Herangehensweise entstehen in der Regel Veranstaltungen, die von vielen Gesprächen und einer großen Menge herzlicher Kommunikation geprägt sind. Und am Ende geht es ja darum, dass die Menschen sich wohlfühlen.

Die expliziten Diskussionsräume

Ich habe selten positive Erfahrungen mit Q&A nach einem Talk gemacht. Manchmal klappt es gut, häufig aber stellt sich ein ähnliches Muster ein: Es sind immer dieselben wenigen, die aufzeigen und Wortbeiträge abgeben. Der Großteil der Gruppe bleibt eher ruhig. Gleichzeitig entsteht kaum eine echte Diskussion unter den Teilnehmenden, da die Dynamik einer Q&A stark nach vorn zur Speakerin gerichtet ist: Jemand stellt eine Frage oder schildert eine Anmerkung, die Speakerin antwortet aus ihrer eigenen Position, Ende der Interaktion.

Daher haben wir mit unterschiedlichen Varianten und Formaten experimentiert, konstruktive Gespräche unter den Teilnehmenden zu ermöglichen. Dabei sind zwei Impulse entstanden, die sich als ziemlich gut herausgestellt haben:

Zum einen ist es wichtig, dass die Speaker:innen, sofern es ihnen möglich ist, den restlichen Abend als Teilnehmende bleiben. Dadurch entstehen viel mehr natürliche Diskussionen, zu denen sich immer mal wieder Menschen dazu gesellen, als wenn das Ganze im Q&A-Format passiert, wo alle Teilnehmenden zuhören.

Zum anderen kann es sehr sinnvoll sein, physische Diskussionsräume zu schaffen. Wir hatten mal einen Talk zu JavaScript/Webentwicklung und haben vorab mit den beiden Speakerinnen zwei Diskussionsthemen besprochen, die zum Thema des Meetups passen. Das eine war „Pro/Contra TypeScript“ und das andere bezog sich auf einen Bundler. Zu beiden Themen haben wir nach dem Talk in angrenzenden Meeting-Räumen runde Tische angeboten – etwa zu vergleichen mit einem Open Space. Dadurch entstand über den ganzen Abend hinweg ein Austausch zu diesen Themen, in beide Räume sind immer wieder Menschen hineingegangen und andere kamen heraus. Gleichzeitig hat die klare Kommunikation, dass es sich hier um explizite offene Diskussionsrunden handelt, die Hürde mitzureden, für viele stark reduziert.

Es geht um die Menschen

Letztlich liegt allen Erfahrungen, die ich mit Events unterschiedlichster Art erleben durfte, eine Erkenntnis zugrunde: Es geht immer um die Menschen. Die Teilnehmenden sind das, was eine Veranstaltung wundervoll oder anstrengend machen kann.

Viel zu oft legen wir den Fokus deutlich zu stark auf Inhalte bei der Gestaltung solcher Veranstaltungen und vergessen dabei die, um die es eigentlich geht: unsere Teilnehmenden. Und wenn der Fokus auf der Zufriedenheit und dem Wohlfühlfaktor für alle Teilnehmen liegt, kommen die Menschen zwangsläufig wieder und erzählen von dem tollen Event. Letztlich geht es bei der Community-Arbeit ja genau darum, Menschen zusammenzubringen.

Welche Erfahrungen hast Du gemacht? Was macht ein richtig gutes Community-Event aus? Und was kann es zerstören? Ich freue mich auf Deine Perspektive!

Stay Mindful
Jakob

Signatur von Jakob Holderbaum

Literaturverzeichnis

[1] Maslow, A. H. (1943). A theory of human motivation. Psychological Review, 50(4), 370–396. doi:10.1037/h0054346

[2] „Maslowsche Bedürfnishierarchie“. 11. Oktober 2023. Wikipedia. https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Maslowsche_Bed%C3%BCrfnishierarchie&direction=next&oldid=237627230

Eine besondere Erwähnung verdient Alexandra Elbakyan für ihre Bemühungen, Millionen von Menschen, darunter auch mir, den Zugang zu Wissen zu ermöglichen.