Die Geschichte vom Pinguin und dem Wasser begleitet mich seit einigen Jahren. Nicht nur, weil sie mir ermöglicht hat, meine teilweise alles andere als ideale Biografie in einem neuen, positiven Licht zu sehen. Vor allem aber, weil sie für mich ein Nordstern in der Erziehung meines mittlerweile dreijährigen Sohnes geworden ist.
Die Geschichte vom Pinguin
Der Pinguin gehört zu der Gruppe der Seevögel, unschwer an den Flügeln und dem Schnabel zu erkennen. Trotz dieser Gruppenzugehörigkeit kann ein Pinguin nicht fliegen. Die Flügel sind zu klein und der Körper zu schwer. Es liegt nahe, zu dem Schluss zu kommen, dass der Pinguin mindestens ein verdammt schlechter Vogel ist. Vielleicht sogar eine gescheiterte Vogel-Existenz.
Betrachtet man den Pinguin aber im Wasser, zeigt sich ein ganz anderes Bild. Es gibt Arten, die können bis zu 500 m tief tauchen und fast zwei Meter hoch aus dem Wasser springen. Sie sind wendig, grazil und erfolgreiche Jäger. Alles andere als eine gescheiterte Existenz, sondern ein absolut erfolgreiches Konzept der Natur.
Was nehme ich daraus mit?
Allzu oft bewerten wir die Leistungen von uns und anderen in Kontexten, die wie die Luft für den Pinguin sind. Für mich ganz konkret waren das in meiner Kindheit und Jugend unzählige (Sport) Vereine, in die ich ging und die ich nach kurzer Zeit wieder verlassen musste. Bis vor wenigen Jahren war meine vermeintliche Erkenntnis daraus, dass ich schlicht kein sozialverträglicher Mensch bin. Heute habe ich verstanden, dass ich in Vereinsstrukturen dieser Art einfach nicht zu Hause bin. Ich benötige Menschen um mich, die gewisse Werte und Denkweisen teilen. Heute habe ich meine eigenen Wegbegleiter und würde mich selbst als einen äußerst sozialen Menschen einordnen. Und diese Jahrzehnte des falschen Selbstbildes resultieren nur daraus, dass ich meinen inneren Pinguin daran gemessen habe, wie gut er fliegen kann, statt sein Wasser zu suchen.
Diese sehr persönliche Anekdote lässt sich auf alle Lebenslagen und Menschen verallgemeinern. Wir alle haben Kompetenzbereiche, in denen wir wachsen können und Kompetenzbereiche, in denen das nicht möglich ist. Ein konkretes Beispiel wäre, die Kompetenzen eines Menschen mit leichter Legasthenie anhand dessen geschriebener Texte zu bewerten. Sicher wird das Ergebnis völlig anders ausfallen, als hörte man diesem Menschen bei einem Vortrag zu.
Daher versuche ich mir, im Umgang mit Menschen, stets bewusst zu machen, dass alle unsere inneren Pinguine ihr Wasser haben – und manchmal müssen wir uns außerhalb des Wassers bewegen.
Stay Mindful
Jakob