Das Thema einer sinnvollen und fairen Entlohnung treibt mich persönlich schon länger umher – einfach weil ich selbst so viele schlechte Gehaltsverhandlungen erlebt und mich stets über die Intransparenz in diesem Zusammenhang geärgert habe. Deutlich relevanter ist es für mich dann im letzten Quartal 2022 geworden, als die Gründung meiner Beratungsfirma space22 unmittelbar bevorstand. Und damit auch direkt die Frage: Wie sieht das ideale Gehaltsmodell für ein modernes digitales Unternehmen aus, welches die mitarbeitenden Menschen in den Mittelpunkt stellen möchte?

Start in die Gründung

Es war klar, bis zur Gründung im Januar muss ein Gehaltsmodell zur Verfügung stehen, denn die Menschen im Unternehmen sollen schließlich Geld für Ihre Arbeit erhalten. Zeitgleich war klar, dass die Entwicklung eines Gehaltsmodells nichts ist, dass man leichtfertig und auf die Schnelle umsetzen kann. Auch bin ich mir sehr bewusst darüber, dass ich als Gründer und Inhaber zweier Unternehmen, und den damit verbundenen wirtschaftlichen Privilegien, nicht die geeignetste Person bin, ein Modell zur Vergütung zu bestimmen.

Aufgrund dieser Faktoren war relativ schnell klar: Die Belegschaft sollte selbst entscheiden, welches Gehaltsmodell sie als das Richtige empfindet. Gleichzeitig existierten zur Gründung bisher nicht genügend angestellte Personen für eine kollektive Entscheidungsfindung.

So entstand eine pragmatische Lösung: Alle verdienen erst mal dasselbe Gehalt, bis wir eine bessere Lösung gefunden haben. Mittlerweile besteht space22 aus vier fest angestellten und drei externen Mitarbeitenden und der Wunsch, in die Findung eines für alle zufriedenstellendes Gehaltsmodells zu gehen, manifestiert sich. Daher werden wir in den kommenden Wochen und Monaten sicher einige spannende Gespräche, Workshops und Diskussionen zu diesem Thema haben, um uns einer Lösung dieser Herausforderung schrittweise zu nähern. Für mich ist dieser Artikel eine Möglichkeit, meinen eigenen Standpunkt und die daraus resultierenden Gedanken zu sortieren und festzuhalten.

Was macht ein gutes Gehaltsmodell aus?

Gehalt ist ein großes und sehr emotional aufgeladenes Thema. Das stelle ich in Gesprächen immer wieder mal ganz persönlich fest. Nicht zuletzt hat das sicherlich etwas mit der Kultur, in der wir hier in Deutschland aufgewachsen sind, zu tun. Bei vielen traditionellen Unternehmen gehört es immer noch zu den Gründen einer fristlosen Kündigung, sollte eine angestellte Person offen unter Kolleginnen über das eigene Gehalt sprechen. In den vergangenen Jahrzehnten war dies die Normalität in unserer Arbeitswelt – ich bin mir sicher, dass diese Tatsache wahnsinnig viel dazu beiträgt, dass dieses Thema nach wie vor oft mit zu wenig Gelassenheit betrachtet wird. Ein weiterer Grund, warum das Thema häufig aufgeladen ist: Wir hängen das eigene Gefühl der Wertschätzung oft an Geld und das eigene Gehalt. Dadurch wird ein Gespräch über die Höhe des eigenen Gehaltes schnell ein Gespräch über Wertschätzung oder das Fehlen selbiger.

Aber was macht denn nun ein sinnvolles Gehaltsmodell aus? Aktuell bin ich gedanklich bei vier Faktoren, die ich als absolut zentral ansehe:

Transparenz

Nach wie vor ist in vielen traditionellen Unternehmen die fehlende Transparenz in den Gehaltsstrukturen ein bewusst eingesetztes Instrument der Verhandlung. Wenn die einzelnen Mitarbeitenden nicht über ihre Gehälter sprechen dürfen und keinen Blick in die Gehaltsbudgets erhalten, entsteht eine unfassbare Asymmetrie im Kräfteverhältnis: Die Arbeitgeberin hat alle Informationen inkl. der realistischen Gehaltsbänder, gleichzeitig stochern die Arbeitnehmerinnen im Dunkeln bei ihren eigenen Gehaltsforderungen. Das Ergebnis ist eine Kultur, in der die Menschen, die am besten verhandeln können, auch das meiste Geld mit nach Hause nehmen. Mit Transparenz hat das relativ wenig zu tun.

Um dieses asymmetrische Kräfteverhältnis aufzubrechen, sollte ein sinnvolles Gehaltsmodell einen starken Fokus auf Transparenz legen. Nur wenn jede Arbeitnehmerin weiß, welche Gehälter gezahlt werden oder zumindest weiß, welche Gehälter realistischerweise für alle möglich sind, kann ein Dialog über das eigene Gehalt auf Augenhöhe überhaupt erst möglich gemacht werden.

Nachvollziehbarkeit

Die Transparenz schafft für alle Sichtbarkeit in den Gehaltsstrukturen des eigenen Unternehmens. Aber daraus entsteht noch lange keine Nachvollziehbarkeit für jeden Einzelnen. Ein sinnvolles Gehaltsmodell muss meiner Meinung nach aber genau hier seine Stärke haben. Wenn es keine nachvollziehbare und ersichtliche Erklärung gibt, warum das Gehalt meiner Kollegin höher oder niedriger ist, ist für jede einzelne Mitarbeiterin das Gehaltsmodell kaum mehr als Willkür – wenn auch transparente Willkür.

Denn erst die Kombination aus Sichtbarkeit und Nachvollziehbarkeit schafft eine tatsächliche Grundlage, auf der eine informierte und selbstbewusste Konversation über das Gehalt geführt werden kann.

Gerechtigkeit

Was bedeutet Gerechtigkeit? Ich finde den Begriff und das Konzept schwierig zu greifen. Nicht zuletzt, weil es eine wahnsinnig individuelle Entscheidung ist, was eigentlich gerecht ist. Gleichzeitig, zu der Individualität der Definition, ist der Wunsch nach Gerechtigkeit ein Bedürfnis, welches die meisten Menschen miteinander teilen. Insbesondere, wenn es um die gerechte Verteilung untereinander geht – etwa das Geld des Unternehmens in Form von Gehalt.

Letztlich ergibt sich die Anforderung der Gerechtigkeit an die Umsetzung der Nachvollziehbarkeit. Denn erst, wenn die Bestimmung des Gehaltes jeder einzelnen Mitarbeiterin nicht nur nachvollziehbar ist, sondern vorrangig als gerecht empfunden wird, kann ein Gehaltsmodell für Zufriedenheit sorgen. Aufgrund der Definitionsbreite des Gerechtigkeitsbegriffes im Kontext von Gehältern muss dieser ein Debattenthema in der Belegschaft sein.

Lebensqualität und Sorglosigkeit

In der Essenz sollte ein gezahltes Gehalt den Zweck erfüllen, der Empfängerin ein Leben der relativen Sorglosigkeit zu ermöglichen. Daher sollte ein Gehaltsmodell immer auch aus dieser Perspektive betrachtet werden. In einer idealen Welt erreicht die Kompensation jedes Einzelnen den Punkt, dass niemand im Unternehmen permanent über Geld nachdenken muss, sondern genügend davon hat, um ein lebenswertes Leben zu führen.

Hieraus ergibt sich aus meiner Sicht auch ein interessanter Gedankenansatz für Kompensationen jenseits von Geld. Vielleicht kann es sinnvoll sein, neben der Zahlung von Geld auch über Hilfestellungen nachzudenken, die das Leben erleichtern. Beispielsweise könnte der Arbeitgeber für alle Menschen im Unternehmen verschiedene, kostenfreie Beratungsleistungen für Altersvorsorge und die private Steuererklärung anbieten. Oder eine aktive Unterstützung bei der Suche eines Betreuungsplatzes für die Kinder.

Es lohnt sich meines Erachtens sehr, diese Themen gemeinsam mit der Belegschaft zu beleuchten. Welche Hilfestellungen im Leben bringen den größten Wert und die größtmögliche Entspannung mit sich? Und wie kann ein Arbeitgeber hier aktiv werden?

Welche Modelle gibt es bereits?

Ich habe in der letzten Zeit ein wenig Recherche betrieben, um herauszufinden, wie andere Unternehmen die Herausforderung angehen, ein neues Gehaltsmodell zu finden. Es gibt seit einigen Jahren immer mehr Unternehmen, die versuchen, dieses Thema neu und auf die Menschen fokussiert zu denken. Dabei scheinen sich einige Modelle entwickelt zu haben, die in unterschiedlichen Variationen und Ausprägungen immer wiederzufinden sind.

Insgesamt scheinen mir alle Versuche eines zeitgemäßen Ansatzes, die ich bisher sehen durfte, auf die folgenden drei übergeordnete Kategorien aufteilbar.

Die solidarischen Varianten: Dasselbe für alle

In meinen Recherchen habe ich drei Unternehmen finden können, die dieses Modell umgesetzt haben, Premium Cola[1, Seite 20] als einer der Vorreiter, control.alt.coop[2] als IT Unternehmen und quäntchen + glück[3] als Kollektiv von Moderatorinnen.

Das Einheitsgehalt besagt genau das, was der Begriff vermuten lässt: Alle Mitarbeitenden, von der angestellten Hilfskraft bis zur Geschäftsführung, erhalten dieselbe Vergütung. Dabei gehen die Unternehmen unterschiedliche Wege.

Premium Cola hat sich auf einen über dem gesetzlichen Mindestlohn liegenden Einheitslohn für Angestellte und freie Mitarbeitende in Höhe von 19,50 EUR geeinigt[1, Seite 79].

Die als Gewerkschaft organisierte Softwareentwicklung control.alt.coop sieht ein basisdemokratisch entschiedenes Einheitsgehalt von 45.000 EUR Brutto im Jahr vor.

Das Trainerinnen-Kollektiv quäntchen + glück spricht nicht offen über die konkrete Höhe ihres Gehaltes, aber dafür sehr ausführlich über die Struktur. Dabei wird zwischen vier Einheitsgehältern von jeweils unterschiedlicher Höhe unterschieden: für Praktikantinnen, für Auszubildende und Studierende, für Berufseinsteigerinnen in den ersten 1,5 Jahren und für alle anderen Mitarbeitende.

Die mathematischen Varianten: Formeln als Gehaltsmodell

Diese Variante ist mir bisher am häufigsten untergekommen. Auch hier habe ich drei repräsentative Unternehmen herausgesucht, die mit einer Gehaltsformel arbeiten: Buffer[4] aus Amerika als einer der Vorreiter, Goldeimer[6] als ein soziales Unternehmen jenseits von IT und Sipgate[7] als bekanntes, inhabergeführtes IT-Unternehmen aus Düsseldorf.

Dieser Ansatz eliminiert die Gehaltsverhandlung, indem in der Belegschaft eine Formel entwickelt wird, mittels derer das Gehalt jeder mitarbeitenden Person, abhängig von unterschiedlichsten Faktoren (das kann die Rolle, spezielle Verantwortungen, aber auch Ausbildung und Dauer der Betriebszugehörigkeit sein), berechnet wird. Spannend ist, dass sich im freien Markt zwar die Gehaltsformel als Konzept häufig finden lässt, die konkrete Umsetzung durch die Wahl der relevanten Faktoren jedoch wahnsinnig unterschiedlich ist.

Die amerikanische Firma Buffer setzt seit 2013 auf eine extrem simple Formel: Ein Rollenfaktor wird mit einem Standortfaktor multipliziert, das ergibt das jeweilige Gehalt. Der Rollenfaktor wird jährlich angepasst und entspricht dem Median-Gehalt der jeweiligen Rolle (zum Beispiel “Senior Backend Developer” oder “Leitende Buchhaltung”) in San Francisco. Seit 2021 wird der Standortfaktor immer weiter reduziert, langfristiges Ziel ist es, diesen loszuwerden[5]. Aktuell liegt er bei 90 % oder 100 %, abhängig davon, wie teuer der eigene Wohnort im Durchschnitt ist.

Goldeimer geht einen völlig anderen Weg. Hier spielen Rolle und Standort der jeweiligen Person keine Rolle. Stattdessen setzt sich die Formel aus einem sozialen Basisgehalt zusammen, das jedes Jahr neu bestimmt wird und nicht unterschritten werden kann. Dazu kommen zwei Faktoren, die jedes Jahr für jede Person individuell bestimmt werden. Der erste Faktor, die “Hardfacts”, berücksichtigt Ausbildung, Berufserfahrung und andere Qualifikationen. Abhängig von der Einschätzung in diesen drei Bereichen wird auf das Basisgehalt eine Summe aufgeschlagen. Der zweite Faktor, die “Verantwortung”, setzt sich aus insgesamt fünf Bereichen (Finanzen, Team, der eigene Arbeitsbereich, Strategie und Haftung) zusammen, in denen der jeweilige Mensch Verantwortung tragen kann. Auch hier wird individuell für jede Person quantifiziert, wie groß deren jeweilige Verantwortung in den fünf Bereichen ist. Daraus wird eine Summe ermittelt, die dann auf das Basisgehalt aufgeschlagen wird.

Die individuellen Varianten: Verantwortung bei den Mitarbeitenden

Eine dritte Form, die im Markt zu finden ist, besteht darin, die Verantwortung den Mitarbeitenden direkt zu überlassen. Hier habe ich verschiedene Spielarten gefunden, die alle gemeinsam haben, dass jeder Mensch im Unternehmen alle Geschäftszahlen und Gehälter kennt und für sich selbst entscheidet, was ein angemessenes eigenes Gehalt darstellt.

In der ersten Variante entscheidet jede Person für sich selbst, ohne Diskussion. Das Berliner Unternehmen WigWam[8] macht das genau so. Jeder Mensch gibt sein eigenes Wunschgehalt an, dabei braucht es keine Begründung für die konkrete Summe. Am Ende werden alle Gehälter summiert und mit dem zur Verfügung stehenden Geld für Gehälter verglichen. Liegt der Gesamtbetrag über dem Budget, werden die Wunschgehälter entsprechend zu gleichen Verhältnissen reduziert, bis es passt. Im Jahre 2021 konnte WigWam so 92 % der Wunschgehälter zahlen.

In einer weiteren Variante, bei der jede Person zwar selbst entscheidet, kommt ein gemeinschaftlicher Kontrollmechanismus hinzu. Auch in der Firma elbdudler[9], kann jeder Mensch einen eigenen Gehaltswunsch einbringen. Dieser muss allerdings in einer Runde, bestehend aus der gesamten Belegschaft, begründet und dann von allen anwesenden Personen abgenickt werden.

In der dritten Variante kann jede Person frei über ihr Gehalt entscheiden, wird aber durch das System dazu gebracht, Feedback einzuholen. Bei der Firma Einhorn[10] werden nach einer Gehaltsrunde zufällige Dreierteams gebildet. In jedem dieser Teams wird sich dann gegenseitig Feedback zu den eigenen Gehaltsvorstellungen gegeben. Jede Mitarbeiterin ist dazu angehalten, das Feedback ernst zu nehmen. Trotzdem liegt die finale Entscheidung letztlich beim Individuum.

Welche Vor- und Nachteile sehe ich?

Aus meiner Sicht sind letztlich alle Varianten Kompromisse, mit jeweils unterschiedlichen, aber prägnanten Vor- und Nachteilen.

Die solidarischen Varianten, in denen alle im Unternehmen dasselbe bekommen, haben aus meiner Sicht einen zentralen Vorteil. Sie erkennen faktisch an, dass jeder Mensch im Unternehmen schlussendlich denselben signifikanten Beitrag leistet. Meiner Erfahrung nach ist diese Tatsache oft völlig vernachlässigt. Mit einem plakativen polarisierenden Beispiel möchte ich diese untermauern: Wenn sich niemand um die gewissenhafte und pünktliche Überweisung der Gehälter kümmert, dann können die fleißigen BeraterInnen noch so viele MBA haben, das Unternehmen läuft trotzdem nicht. Wer leistet hier den größeren Beitrag, die Unternehmensberaterin oder der Buchhalter? Das ist ein moralisches und gesellschaftspolitisch ausgesprochen starkes Statement, wenn ein Unternehmen sich selbst so positioniert.

Gleichzeitig liegt in dieser fast radikalen Perspektive auf die Wertigkeit von Arbeit auch der größte und sehr praktische Nachteil dieser Ansätze. Da traditionell die Gehaltsbänder zwischen Wissensberufen und operativen Berufen extrem weit auseinandergehen, entstehen hier ungewöhnliche Gehaltsstrukturen: Eine Softwareentwicklerin verdient jährlich 20.000 EUR unter ihrem Marktwert und ein Buchhalter verdient jährlich 20.000 EUR über seinem Marktwert, dafür sind beide gleich bezahlt. Das bringt neue Herausforderungen mit sich, denn zum einen wird es schwieriger bei deutlich unter marktüblichen Gehältern ausgebildetes Personal zu rekrutieren. Zusätzlich entsteht ein Wachstumshemmnis, da im direkten Marktvergleich Personalkosten für operative Mitarbeitende deutlich höher sind.

Die mathematischen formelbasierten Varianten zeichnen sich aus meiner sich in erster Linie darin aus, dass sie sehr genau das Wertesystem eines Unternehmens widerspiegeln können. Legt die Belegschaft großen Wert auf soziales Engagement, kann das ein Faktor im Gehalt sein. Damit steckt in formelbasierten Ansätzen ein großes Potenzial, für jedes Unternehmen. Im Grunde sind diese Varianten auch im Kern transparent, da einem jeden Gehalt weder Verhandlungen noch Vermutungen zugrunde liegen, sondern eine mathematische reproduzierbare Berechnung. Durch eine Entwicklung der Formel, gemeinsam mit der Belegschaft, ist die individuelle Identifikation mit dem eigenen Gehaltsmodell hoch.

Zentral sehe ich zwei große Nachteile, die sich bei formelbasierten Ansätzen aufdrängen: Viele Unternehmen, die diese Richtung eingeschlagen haben, berichten von einem sehr langen Weg der Diskussionen und Anpassungen. Oftmals dauerte die Einigung auf ein Modell sogar mehrere Jahre. Gleichzeitig entstehen dabei nicht selten komplexe Formeln und Matrizen, die einer langen Erklärung bedürfen. Das muss kein Nachteil sein, kann sich aber als solcher manifestieren, abhängig von den Neigungen und Wünschen der eigenen Belegschaft.

Im Kern gibt es zwei grundlegende Formelvarianten, von denen sich alle Formeln, die ich bisher gesehen habe, ableiten – und beide bringen spezifische Nachteile mit sich. Entweder ist die Grundlage der Formel ist ein marktüblicher und von der jeweiligen Berufsbezeichnung abhängiger Basiswert, auf den unterschiedliche Faktoren, je nach Art der Formeln, angewendet werden. So macht es etwa Buffer[5]. Hier sehe ich den großen Nachteil, dass die Grundlage auf rollenspezifischen Basiswerten letztlich die bestehenden Ungerechtigkeiten im freien Arbeitsmarkt reproduzieren, wenn auch unter Umständen abgeschwächt, abhängig von den weiteren Faktoren in der Formel.

Oder aber die Berufsbezeichnung ist komplett irrelevant und die Formel orientiert sich ausschließlich an Faktoren, die auf dem beruflichen Alltag, den Verantwortungen im Unternehmen sowie dem eigenen Wissen basieren. So macht es Goldeimer[6]. Damit erzeugt diese Variante letztlich dieselben Nachteile, welche auch die solidarische Variante hat: Die Bezahlung entfernt sich unter Umständen weit von den marktüblichen Gehältern und ist damit eine Herausforderung für den Unternehmenswachstum (im Marktvergleich zu niedrige Gehälter oder im Marktvergleich zu hohe operative Personalkosten).

Die individuellen Varianten, in denen jede Person ihre eigenen Gehaltsvorstellungen einbringt, haben in meiner Wahrnehmung einen entscheidenden Vorteil: die Gehälter orientieren sich vornehmlich an den tatsächlichen finanziellen Bedürfnissen jedes einzelnen Mitarbeitenden. Diese Tatsache bringt den persönlichen Bedarf in den Vordergrund und nimmt den Fokus damit teilweise von der Frage, welchen Beitrag der einzelne Mensch leistet und wie viel dieser damit wert ist. Gleichzeitig steckt darin eine besondere Form der persönlichen Fairness, welche den anderen Modellen fehlt.

Gleichzeitig zwingt es die Belegschaft in den offenen Diskurs über persönliche finanzielle Bedürfnisse, was gleich mehrere Probleme mit sich bringen kann. Aus meiner Sicht sollte ein modernes Vergütungsmodell die emotionale und psychische Last der Gehaltsverhandlung von den Schultern der Belegschaft nehmen. Ein Modell, welches die einzelnen Mitarbeitenden dazu zwingt, ihre Gehaltsvorstellungen vor den Kolleginnen und Kollegen vorzutragen und zu vertreten, bringt einen mit der Gehaltsverhandlung vergleichbaren Stressfaktor zurück – wenn auch auf der Grundlage transparenter Gehälter und Geschäftszahlen.

Mein persönliches Fazit

Ich habe die Recherche nach dem Gehaltsmodell der Zukunft als eine frustrierende Aufgabe wahrgenommen. Mir scheint es, dass letztlich alle Varianten, die mir untergekommen sind, in gewisser Weise einen schlechten Kompromiss darstellen – denn jede Lösung hat ihre eigenen, gravierenden Nachteile.

Aus diesen Gründen bin ich davon überzeugt, dass es keinesfalls eine ideale Lösung gibt, schon gar nicht gesamtgesellschaftlich. Gleichzeitig ist die Suche nach einer idealen Lösung und die damit verbundenen Debatten, Arbeitskreise und Selbstreflexionen ein unfassbarer Gewinn für jedes Unternehmen. Denn eine konstruktive Auseinandersetzung mit dem Thema zwingt schwierige Themen ans Licht und macht eine deutliche Aussprache unumgänglich.

Die bisherigen Gespräche und Diskussionen haben die Belegschaft der space22 näher zueinander gebracht und das Fundament des Vertrauens, auf dem schwierige, ehrliche und konstruktive Gespräche möglich sind, weiter gefestigt.

Ich interessiere mich sehr für Anekdoten und Erfahrungsberichte von anderen Unternehmen, die diese Reise ebenfalls angetreten sind. Kennst Du jemanden, der dazu etwas zu berichten hat? Oder möchtest Du Deine eigene Geschichte teilen? Dann freue ich mich über Deine Nachricht.

Stay Mindful
Jakob

Signatur von Jakob Holderbaum

Quellen

[1]: https://www.buechner-verlag.de/buch/wirtschaft-hacken/
[2]: https://www.golem.de/news/code-genossenschaften-mitbestimmung-und-einheitsgehalt-statt-frust-im-hamsterrad-2206-166397.html
[3]: https://qundg.de/uploads/2020/02/unser-manifest-fu%CC%88r-moneten-hochschule-pforzheim-3.pdf
[4]: https://buffer.com/salaries
[5]: https://buffer.com/resources/compensation-philosophy/
[6]: https://goldeimer.de/blogs/blog/gehaltsmodell-prozess-2023
[7]: https://sipgate.medium.com/so-zahlen-wir-6251ec42205a
[8]: https://wigwam.im/blog/mal-wieder-ueber-geld-reden-ein-faq-zu-unserem-wunschgehalt/
[9]: https://www.businessinsider.de/karriere/arbeitsleben/chef-ich-will-1000-euro-mehr-in-dieser-firma-bestimmen-die-mitarbeiter-ihr-gehalt-selbst-2018-5/
[10]: https://einhorn.my/newpay/